Die Sonne ist unser einziger wirklich nachhaltiger Energielieferant. Für die Chemikerin Greta Patzke von der Universität Zürich geht das Potenzial des Lichts aber noch weit über das Energiethema hinaus.
Frau Patzke, Sie forschen an der künstlichen Photosynthese. Mit ihr wird Sonnenlicht – ähnlich wie in den Pflanzen – in chemische Energie umgewandelt. Welche Vision haben Sie persönlich von unserer Energiezukunft?
Ich bin in den 1970er-Jahren und damit in einer Zeit geboren, in der die Grosstechnologien auf einem ersten Höhepunkt angelangt waren. Seither hat sich viel verändert. Es ist offensichtlich, dass das Verbrennen unserer Kohlenwasserstoffreserven nicht mehr weitergehen kann, und in meinen Augen gibt es auch keine scheinbar so einfache All-in-one-Lösung für unsere Herausforderungen mehr. Stattdessen sind dezentrale und lokal angepasste Systeme gefragt. Meine Hoffnung ist, dass dadurch die Menschen aus ihrer Verbraucherrolle herauskommen, dass sie mehr Eigenverantwortung übernehmen – und dass sie dies im Endeffekt auch zusammenschweisst.
Welche Rolle kann die künstliche Photosynthese in einer derartigen Zukunft spielen?
Sie ist eine von mehreren aufkommenden Technologien. Wie gross ihr Gewicht sein wird, ist derzeit schwer abzuschätzen. Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass das Sonnenlicht zu unserer wichtigsten Energiequelle wird. Es ist unser einziger nachhaltiger und praktisch unerschöpflicher Energielieferant – und somit auch eine grosse Triebkraft für viele Forschungsprojekte landesweit. Die künstliche Photosynthese hat den Vorteil, dass bei ihr die Lichtenergie in Form von Molekülen gespeichert wird, die dann bei Bedarf Reaktionsenergie freisetzen können. Die Photovoltaik wandelt demgegenüber das Sonnenlicht direkt in elektrische Energie um. Deren Speicherung erfordert einen zweiten Schritt, dafür ist aber die primäre Umwandlungseffizienz grösser. Natürlich werden wir die Sonne zudem auch weiterhin direkt über Wärme (Solarthermie) nutzen, und sie beeinflusst ja klimatisch auch massiv die Wind- und Wasserkraft.
Was sind die chemischen Herausforderungen der Energiequelle Licht?
Richtig spannend wird es, wenn wir in die Details vorstossen. Kürzlich ist es uns beispielsweise gelungen, einen molekularen Katalysator zur Wasserspaltung (bzw. Oxidation) zu bauen, der gewisse Ähnlichkeit zum anorganischen Katalysatorkern in der natürlichen Photosynthese hat. Interessanterweise verhalten sich seine Komponenten aber etwas anders als erwartet. Einige Katalysatoren, die eine effiziente künstliche Photosynthese ermöglichen, können sich auch während der Reaktionen an ihre Umgebung anpassen. Diese Prozesse beginnen wir nun zu nutzen. In Zürich verfügen wir über eine ungeheure Dichte an exzellenten Forschenden, um derartige Fragen aus unterschiedlichsten Perspektiven anzugehen. Im Forschungsschwerpunkt LightChEC der Universität sind Chemiker, Physiker und auch Materialforscher der Empa Dübendorf zusammengeschlossen. Das Feld spannt sich für mich aber sogar noch viel weiter auf.
Über die Energiethematik hinaus?
Genau. Die Sonne bringt ja wortwörtlich Licht ins Dunkel. Wir und mit uns unzählige andere ebewesen nutzen Lichtsensoren in Form von Augen, um unsere Umwelt zu erfassen. Genauso kann man Licht für die medizinische Diagnostik und für das Monitoring von Ökosystemen verwenden. Lichtenergie lässt sich aber auch therapeutisch oder zum Abtöten von Keimen einsetzen. Das Potenzial ist riesig und wir haben bereits Pläne für einen grösseren Forschungsverbund. Wir stehen quasi am Anfang eines Licht-Zeitalters, das die Erdöl-Ära ablöst.
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