Das Privatauto wird verschwinden

Indische Städte, deutsche Autokonzerne und kalifornische Internet-Start-ups wenden sich in Verkehrsfragen an Conrad Wagner. Der Mitgründer der Genossenschaft «ATG AutoTeilet» gilt international als Pionier des Carsharing.

Ist es im Moment spannend, Verkehrsfachmann zu sein, Herr Wagner?

Es war wohl noch nie so spannend wie heute. Die Städte, die Transportindustrie, ja die ganze Wirtschaft und wir alle stehen vor einem epochalen Wandel: Das Privatauto, das die letzten 50 Jahre so sehr geprägt hat, wird langsam aber sicher verschwinden.

Unterschätzen Sie da nicht die emotionale Bindung, die viele Menschen zu ihrem Auto haben?

Letztlich ist es eine Frage des Geldes. In der Schweiz wird ein Privatauto durchschnittlich eine Stunde am Tag genutzt. Das ist pure Verschwendung.

Sie selber haben vor genau 30 Jahren die Genossenschaft «ATG AutoTeilet» gegründet. Was hat sich seither verändert?

(lacht) Alles! Wir hatten schon damals die Idee, die Fahrzeuge mit Computern auszurüsten. Aber ein PC kostete in den 80er­ Jahren des letzten Jahrhunderts weit über 1 000 Franken. Heute haben die meisten Leute ihren Computer in der Tasche. Deshalb braucht eine Firma wie Uber nicht einmal mehr eigene Fahrzeuge zu kaufen, um zur grössten Transportfirma der Welt aufzusteigen.

Uber offeriert den Personentransport als individuelle Dienstleistung. «Mobility-as-a-Service» heisst das Schlagwort. Was ist von dieser Formel zu halten?

Es ist die treffende Beschreibung eines Megatrends, der viel weiter geht als das Carsharing. In Zukunft lassen sich völlig neue Verkehrssysteme bauen. Die Zutaten sind Online­ Plattformen, Smartphones sowie gesteuerte und selbst fahrende Elektromobile.

Wer wird diese Dienstleistungen anbieten?

Um ein E-­Mobil aufzutanken, brauchen Sie Netzanschlüsse. Die befinden sich in oder an Gebäuden. Grosse Immobilienfirmen mit weit verstreuten Liegenschaften wären damit ideale Betreiber von Mobilitätsplattformen; zumal sie auch über die nötigen Parkflächen verfügen.

Ich gehe also auf die App meines Vermieters und lasse mir ein selbst fahrendes Auto schicken?

Ja, das ist denkbar. Aber es geht noch weiter: E­-Mobile werden eine Schlüsselkomponente unserer künftigen Stromversorgung sein. Denn sie sind perfekte Zwischenspeicher für überschüs­sigen Solar­ oder Windstrom. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Elektrizitätswerke schon bald E-Mobilflotten unterhalten werden.

Das Elektrizitätswerk wird zum Transportunternehmen?

Wenn Solarzellen und Windräder mehr elektrische Energie produzieren als verbraucht wird, kann die Stromwirtschaft Transportleistungen als «Abfallprodukt» anbieten. Die Fahrt wäre dann gratis. Und wer weiss: Vielleicht erhalten wir in Zukunft eine kleine Gutschrift auf der Stromrechnung, wenn wir an einem heissen Sommertag ein E­-Mobil fahren.


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