Stellen Sie sich vor: In Ihrem Garten steht ein «smarter» Rasensprinkler. Er weiss, dass für das Wochenende Regen angesagt ist, und schaltet sich deshalb nicht ein. Ihr digitaler Stromzähler stimuliert Sie zu einem sorgfältigeren Umgang mit Strom, weil Ihr Smartphone zu jeder Tageszeit anzeigt, wieviel Sie verbraucht haben. Ihre intelligente Heizung bringt Sie dazu, einen Pullover überzuziehen, weil sie zu bestimmten Zeiten den Energieverbrauch automatisch reduziert. Kurz: Smarte Geräte geben Ihnen den sanften Anreiz, sich energiebewusster zu verhalten.
Schöne neue Welt? «Ambient Intelligence» macht all das theoretisch möglich. Das Internet der Dinge – also mit Kommunikationstechnologie ausgestattete Elektrogeräte, ganze Wohnungen, Büros und Unternehmen – könnte so zu einem schonenderen Umgang mit unseren Ressourcen beitragen, ohne mühsame Umgewöhnung oder Informationsbeschaffung. Smart Meters, bei denen das Smartphone mit dem intelligenten Haushaltenergiezähler vernetzt wird, wären künftig das Herzstück des «intelligenten Haushalts» – vorausgesetzt, sie werden von den Nutzern auch wirklich zum bewussten Umgang mit Energie genutzt und verleiten nicht umgekehrt zu grösserem Energieverbrauch. «Ein per App fernsteuerbarer Thermostat, der automatisch erkennt, ob jemand zuhause ist oder nicht, kann auch dazu genutzt werden, das Haus vorzuwärmen, bevor man nach Hause kommt. Damit würde die Technik, die eigentlich zum Energiesparen gemeint war, den Komfort erhöhen und tatsächlich insgesamt mehr Energie verbrauchen», so Friedemann Mattern, Vorsteher des Instituts für Pervasive Computing an der ETH Zürich.
Smart Meters liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der traditionelle Stromzähler veraltet ist und den Benutzern wenig Einblick in den Energieverbrauch einzelner Geräte gibt, was zu übermässigem oder unnötigem Energiekonsum führt. Um Energieverschwendung identifizieren und das Verhalten anpassen zu können, braucht es aber detaillierte Informationen, die weit über die summarischen vierteljährlichen oder jährlichen Energierechnungen hinausgehen. Eine Forschungsgruppe am Institut für Pervasive Computing an der ETH Zürich hat deshalb einen Smart Meter entwickelt, der Messungen auch der einzelnen Geräte erlaubt. Das mit dem Smart Meter vernetzte Mobiltelefon könnte somit beim Energiesparen helfen. Nicht zu vergessen ist allerdings, dass intelligente Technik selbst auch Energie benötigt. Positiv zu vermerken ist, dass kleine, drahtlos mit dem Internet verbundene Sensoren und Computer immer energiegenügsamer werden.
Erneuerbare Energie als Standard
Es gibt eine äusserst simple Lösung, nachhaltigere Lebensweisen zu fördern: indem energieverbrauchende Geräte automatisch über eine grüne Standardeinstellung operieren, die man sonst extra abwählen müsste. Die Kopiermaschine im Büro spuckt die Fotokopien automatisch doppelseitig aus. Die Heizung zu Hause nutzt automatisch erneuerbare Energien.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier: Wenn die sparsame, grüne Variante nicht speziell gewählt werden muss, sondern zur Standardeinstellung wird, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie auch beibehalten wird. Den Beweis für den massiven Nutzen grüner Standardeinstellungen hat eine Studie erbracht. Sie wertete den Energieverbrauch mehrerer Tausend Haushalte und Unternehmen einer Wohngemeinde aus, in denen Strompakete mit einer grünen Standardeinstellung eingeführt wurden. Die grüne Standardoption umfasst erneuerbare Energien vor allem aus der in der Schweiz produzierten Wasserkraft, einen kleinen Anteil an Solar- und Windenergie sowie Biomasse. Es stellte sich heraus, dass die grosse Mehrheit der Haushalte – 83 Prozent – und der Unternehmen – 75 Prozent – die etwas teurere grüne Standardeinstellung beibehielten. Dazu war keine Veränderung der ökologischen Einstellung notwendig; Haushalte und Firmen benutzen erneuerbare Energien, ohne dass sie dazu ihre ökologische Einstellung hätten ändern müssen. Interessanterweise blieb diese Nutzung über längere Zeit stabil: Auch im sechsten Jahr hatten noch 80 Prozent der Haushalte die grüne Standardeinstellung, bei den Firmen waren es 71 Prozent.
«Grüne Standardeinstellungen können als ein leistungsfähiges Werkzeug für die Politikgestaltung angesehen werden, das auf den zunehmenden Verbrauch von erneuerbaren Energien gerichtet ist», so lautet das Résumé der Projektverantwortlichen Ulf Liebe, Universität Bern, und Andreas Diekmann, ETH Zürich.
Es geht also auch ohne aufwändige Informationsbereitstellung, Preisanreize und langwierige Änderungen von Werten und Lebensweisen. Der Einsatz von «Entscheidungsarchitekturen», die auf den Erkenntnissen der Verhaltensforschung basieren, hat rasche und massive Effekte. Fazit: Die grüne Standardeinstellung gehört zu einem der effizientesten Mittel, um das Energiekonsumverhalten positiv zu beeinflussen.
Die Resultate werden von der Verhaltungsforschung gestützt: Der Mensch ist nicht nur ein Gewohnheits-, sondern auch ein Herdentier. Oft benötigt er nur sanfte Anreize, sogenannte «Nudges», um sein Verhalten zu ändern. Mit «Nudges» sind geringfügige Massnahmen gemeint, die zu einem vernünftigeren Verhalten motivieren.* Auch soziale Netze entfalten eine Motivationswirkung, indem man einander gegenseitig beeinflusst – zum Beispiel mit automatisch energieeffizientem Verhalten.
Forschungsprojekt:
Sanfte Anreize und Energieverbrauch (NFP 71)
*Nudge. Improving Decisions about Health, Wealth, and Happiness.
Richard Thaler, Cass Sunstein. Yale University Press, New Haven [u.a.] 2008.
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