Eine stärkere Beanspruchung des Untergrunds provoziert keinen grundsätzlichen Widerstand. Christoph Beer, Präsident der Eidgenössischen Geologie-Kommission (EGK), warnt aber vor voreiligen Entscheiden. Ohne neue Regeln und ein vertieftes Standortwissen seien Konflikte vorprogrammiert.
Das Siedlungswachstum und der Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen stossen an der Oberfläche an Grenzen. Soll man nun vermehrt in den Untergrund abtauchen?
Notgedrungen führt die Verstädterung der Schweiz dazu, dass man auf den Untergrund ausweichen muss. Das ist durchaus mit gesellschaftlichen Vorteilen verbunden. So können wichtige Infrastrukturanlagen vor Naturgefahren geschützt werden wie auch die Bevölkerung vor Lärmimmissionen. Zudem bleibt wertvolles Kulturland erhalten. Ein Ausweichen in den Untergrund macht also Sinn, wenn dies für Einrichtungen genutzt wird, die nicht auf Tageslicht angewiesen sind. Und es sind gewisse Rahmenbedingungen einzuhalten.
Welche meinen Sie?
Man kann nicht alle Nutzungsabsichten zulassen; es braucht eine Priorisierung. Denn die Charakteristik beim Bauen im Untergrund ist: Eine einmal festgelegte Nutzung besetzt den Raum unter dem Boden praktisch für die Ewigkeit. Rohstoffe, die abgebaut werden, sind weg. Ein belasteter Grundwasserleiter lässt sich kaum regenerieren. Und ein Tunnelkorridor kann später nicht einfach wieder entfernt werden.
Wie umgeht man solche Nutzungskonflikte?
Was räumlich und zeitlich im Untergrund geschehen soll, ist vorsichtig und umsichtig zu planen. Dazu sind der mögliche Nutzen und der absehbare Mehraufwand gegeneinander abzuwägen. Bauen im Untergrund ist viel teurer und manchmal risikobehafteter als an der Oberfläche. Meistens sind die geologischen Standortverhältnisse zu wenig bekannt. Anzuerkennen ist dennoch, wie riesig das Potenzial für die Entwicklung nachhaltiger Verkehrs- und Energiesysteme ist. Der Untergrund birgt noch nicht ausgeschöpfte Wärmequellen und bietet Raum für neue Transportverbindungen.
Wie gut ist der Untergrund als natürliche Ressource vor den Ausbauwünschen geschützt?
Konflikte sind vorprogrammiert, wenn man ohne nationale Regeln in den quasi unberührten Untergrund und den wertvollen Grundwasserleiter vorstossen will. So werden die bekannten Fehler aus der Nutzung der Oberfläche wiederholt, weil man sich unkoordiniert die Raumreserven für morgen verbaut. Für eine solche Koordinationsaufgabe fehlt es aber noch an vielem: So wären die angemeldeten Nutzungsvarianten zu priorisieren oder die Bewilligungsgrundlagen der Kantone zu verbessern. Und rechtlich ist zu konkretisieren, wo die unterirdische Grenze zwischen Privatbesitz und öffentlichem Eigentum verläuft.
Wie kann eine geordnete, effiziente und nachhaltige Nutzung des Untergrunds gelingen?
Das Milieu ist weitgehend unerforscht, weil bei uns keine Rohstoffe ausgebeutet wurden. Daher ist der Untergrund geologisch und hydrogeologisch umfassend zu vermessen. Für die Geologie in der Schweiz ist das ein Generationenprojekt; doch eine Erkundung der vierten Raumdimension erhöht die Investitionssicherheit für absehbare Nutzungsinteressen.
Die geschrumpfte Schweiz
In den letzten Jahrzehnten sind die Fahrzeiten auf Schiene und Strasse für eine Reise in der Schweiz deutlich geschrumpft. Allerdings hat der Strassenverkehr vergleichsweise stärker vom Ausbau der Infrastrukturnetze profitiert, obwohl sich Menschen und Güter mit der Eisenbahn wesentlich energieeffizienter befördern lassen. Im Vergleich zu 1950 lässt sich die Schweiz per Auto heute mit dem halben Zeitaufwand bereisen. Die Erreichbarkeiten im öffentlichen Verkehrssystem sind in derselben Zeitspanne hingegen nur um einen Fünftel kürzer geworden.
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